vom Lüneburger Netzwerk gegen Rechts

Foto: Jwh, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 lu
Edit: GGS / SJD-Die Falken
Am frühen Morgen des 10. Juli 2021 starb Esther Bejarano in Hamburg. Die Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau, die aktive Antifaschistin, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Deutschland und Zeugin ihrer Zeit wurde 96 Jahre alt. Noch im hohen Alter engagierte sie sich politisch, war Mahnerin, Aufklärerin, Hoffnungsgeberin und humorvolle Optimistin. Wir trauern gemeinsam mit ihrer Familie, um einen großartigen, mutigen und unerschütterlichen Menschen. Ihr Wirken lebt in uns fort.
Esther wurde am 15. Dezember 1924 als Esther Loewy in Saarlouis geboren. Ihr Vater war jüdischer Lehrer und Kantor. Ihre Eltern wurden 1941 von den Nazis in Litauen umgebracht, sie selbst musste in einem Lager Zwangsarbeit leisten, bevor sie Anfang 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. Esther berichtete, dass sie nur überlebte, weil sie im Mädchenorchester des Lagers Akkordeon spielte: „Die SS befahl uns, am Tor zu stehen und zu spielen, wenn neue Transporte ankamen in Zügen, in denen unzählige jüdische Menschen aus allen Teilen Europas saßen, die auf den Gleisen fuhren, die bis zu den Gaskammern verlegt wurden und die alle vergast wurden. Die Menschen winkten uns zu, sie dachten sicher, wo die Musik spielt, kann es ja nicht so schlimm sein. Das war die Taktik der Nazis. Sie wollten, dass all die Menschen ohne Kampf in den Tod gehen.“
Nach der Befreiung prägte der Kampf gegen Rechts viele Jahrzehnte ihres Lebens. Sie sprach auf Demonstrationen, wenn es gegen die NPD und AfD ging und kritisierte deren demokratiefeindliche und menschenverachtende Ideologien. Zusammen mit ihrem Sohn Joram und ihrer Tochter Edna sang sie jüdische und antifaschistische Lieder, zuletzt tourte sie mit der Kölner Hip-Hop-Band Microphone Mafia durch Deutschland, auch hier in Lüneburg. In unzähligen Schulen, auch in Andendorf, sprach sie vor Jugendlichen, erzählte ihre Geschichte und machte deutlich, dass man nicht schweigen darf wenn Unrecht geschieht: „Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah.“

Foto: Jwh, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 lu
Am 76. Jahrestag zur Befreiung des KZ Ausschwitz forderte sie erneut, dass der 8. Mai – Tag der Befreiung, zum Feiertag erklärt wird. Ein Jahr zuvor hatte sie in einem Offenen Brief „an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen“ geschrieben: „Es ist für uns Überlebende unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen gebrüllt werden, wenn Menschen durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren. Wir wollen uns nicht gewöhnen an Meldungen über antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Attacken in Berlin und anderswo, in Halle, wo nur stabile Türen die jüdische Gemeinde schützten, aber zwei Menschen ermordet wurden. Diese Betroffenheit muss zum Handeln führen, es muss gefragt werden, wie es so weit hat kommen können. Es muss gestritten werden für eine andere, bessere Gesellschaft ohne Diskriminierung, Verfolgung, Antisemitismus, Antiziganismus, ohne Ausländerhass! Nicht nur an Gedenktagen!“
Der Kampf für eine bessere Welt, war für sie untrennbar verbunden mit der Losung von 1945 – Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Eine Losung, zu der sie Generationen inspirierte, Mut gab und Hoffnung stiftete. Ihre tiefe Abneigung gegen alles Menschenverachtende, war verbunden mit ihrer Liebe zum Leben. Ihr Humor und ihre Zuversicht, war ein Zeichen ihres Trotzes. Ihre Aufklärung und ihre Musik, die Rache an den Nazis. Lernen wir von dieser Frau, wie wir auch von anderen Überlebenden des Holocaust lernen sollten. Die Erinnerung an Esther bleibt uns als Segen, ihre Erfahrungen als eine Mahnung für die Zukunft und ihr Kampf, als fortwährende Aufgabe unserer Zeit.
Danke Esther, mir lebn eybik!
Lüneburger Stimmen zum Tod von Esther Bejarano:
Deine Spur führt in unser Herz
Die große Antifaschistin Esther Bejarano ist tot. Die tapfere, fröhliche Antifaschistin, Kommunistin und Musikerin verkörperte wie kaum eine andere den unermüdlichen antifaschistischen Widerstand, den wir in diesen Zeiten mehr als je zuvor brauchen.
In Trauer und Liebe erinnere ich mich an viele Begegnungen und Veranstaltungen mit ihr. Sie war mir stets Vorbild. Viele wunderbare und lebensbereichernde Begegnungen mit ihr begleiteten unseren Weg. Diese werden bleiben! Ihr Vermächtnis werden wir weitertragen. Ihre leise
laute Stimme wird uns fehlen.
Esther, mir záynen do!
Olaf Meyer
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen
Ich war sehr bestürzt, als ich die Meldung gestern bekomme habe. Leider hatte ich nicht mehr die Gelegenheit sie persönlich zu treffen.
Es ist unsere Aufgabe ihr unermüdliches Engagement weiterzuführen im Kampf gegen Rechts, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus.
L. aus Lüneburg
Ich kann leider keine persönliche Erfahrung mit Esther Bejarano teilen. Die Möglichkeiten in der Vergangenheit wurden immer abgesagt. Aber natürlich ist uns als DGB in der Region in Erinnerung mit welcher Überzeugung und auch Freude sie sich gegen Antisemitismus und Faschismus gewährt hat. Ob bei Konzerten mit der Band Microphone Mafia, wie aber auch bei Vorträgen mit Schüler*innen oder anderen Veranstaltungen. Zuletzt sollte Sie im Juni in Celle auftreten. Dieser Termin wurde aber schon damals abgesagt. Wir verlieren mit Esther Bejarano eine der letzten Zeitzeugen und Ausschwitzüberlebenden. Möge sie allen lange in Erinnerung bleiben als eine Frau die im Kampf gegen den Faschismus Kunst und Aufklärung miteinander verbinden konnte und viele Menschen beeindruckte. Danke!
Gruß
Dirk Garvels
DGB-Regionssekretär
In Gedenken an Esther Bejarano
Die Holocaust Überlebende Esther Bejarano ist am 10. Juli 2021 im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben.
Sie engagierte sich ihr Leben lang gegen Rechtsextrimismus und Rassismus, gründete das Ausschwitzkomitee und war Ehrenpräsidentin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Esther Bejarano besuchte zahlreiche Schulen und erzählte Jugendlichen von ihrem Leben. Mit der Band Microphone Mafia hatte sie noch bis vor kurzem Auftritte und sang, las aus ihrer Biografie vor und berichtete als Zeitzeugin von den Nazi-Verbrechen. Bis zuletzt warnte sie vor der Rechtsentwicklung und dem Wiedererstarkten des Nazismus. Sie prangerte auch die europäische Asylpolitik an. In einem Interview mit der süddeutschen Zeitung sagte sie:
„Ich muss wegen der Flüchtlinge in der letzten Zeit wieder so oft an die NS-Zeit denken, als es gegen uns Juden ging. Meine Schwester und ihr Mann waren auch Flüchtlinge, sie wollten über die grüne Grenze in die Schweiz, wo sie in Sicherheit gewesen wären. Doch die Schweizer schickten sie zurück nach Hitler-Deutschland. Dort wurden sie sofort erschossen.(…) Wer in seiner bisherigen Heimat verfolgt wird (…) der sollte in Deutschland die Chance haben, Asyl zu bekommen. Es geht doch immer um Menschen. Und Menschen sollte man doch menschlich behandeln, nicht wahr? Aber so viele Leute handeln so unmenschlich. Ich habe das Gefühl, dass es immer schlimmer wird….”
Esther Bejarano hat so viel erlebt.
Ihre Stimme wird im Kampf gegen Rechtsextrimismus, Antisemitismus und Rassismus fehlen.
Seebrücke Lüneburg
… Ich erfuhr gerade eben durchs Radio vom Tod Esther Bejeranos. Ein trauriger Moment und ein intensives dankbares Erinnern an sie und ihren Beitrag zu unserer politischen GESCHICHTE ist das für mich GLEICHZEITIG.
K. aus Lüneburg
Liebe Esther,
liebe Edna, lieber Joram,
was wäre diese Welt ohne Dich gewesen? Ein trostloserer, kälterer und menschenfeindlicherer Ort!
Dein unermüdliches Wirken, Dein liebevolles und humorvolles Kämpfen gegen Unmenschlichkeit, Ungerechtigkeit, Krieg und die Leugnungsversuche dessen, was geschah sowie den faschistischen Versuchen in aktuellen Zeiten…
All das hat Menschen erreicht, sie tief im Inneren berührt und politisiert. Auch mich – sehr nachhaltig.
Deine Konzerte mit Kutlu und Edna waren nie “nur” Konzerte, sie waren Manifeste! Manifeste gegen das Vergessen und für eine bessere Welt. Das war die Umsetzung und das Lebendigwerden des Schwur von Buchenwald!
Dafür und auch dass ich Dich kennenlernen durfte, danke ich Dir herzlich.
Dein Leben und Wirken ist für viele von uns Verpflichtung, dies fotzusetzen!
Dein Georg
Weitere überregionale Gedanken zum Tod von Esther können auf der Kondolenzseite des Auschwitz-Kommitees abgerufen oder auch selbst eingetragen werden:
Unterzeichnende:
- Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Kreisvereinigung Lüneburg
- Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen
- Deutscher Gewerkschaftsbund Lüneburg
- SJD – Die Falken / Unterbezirk Nordniedersachsen
- Geschichtswerkstatt Lüneburg e.V.
- AStA der Universität Lüneburg
- Omas gegen Rechts Lüneburg
- Seebrücke Lüneburg
- Lebensraum Diakonie e.V. – Diakonisches Werk
- Alltagskultur e.V.
- Stadtjugendring Lüneburg e.V.
- IG Metall Celle-Lüneburg
- GEW-KV Lüneburg
- BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN Kreisverband Lüneburg
- dielinke.SDS Lüneburg
- Linksjugend [‘solid] Lüneburg
- DIE LINKE Kreisverband Lüneburg
stellv. für das Lüneburger Netzwerk gegen Rechts
Neueste Kommentare