Stadt Lüneburg genehmigt Heß-Gedenken

Einmaliges geschah am gestrigen Montag in der Hansestadt. Die Stadt Lüneburg genehmigte eine am vergangenen Freitag angemeldete Mahnwache des verurteiltem Neonazi-Terroristen und NPD-Kandidaten Manfred Börm aus Handorf. Damit stellt die als NPD-Veranstaltung getarnte Kundgebung am Todestag von Rudolf Heß bundesweit ein Novum dar. In allen anderen Städten werden ähnliche Veranstaltungen seit Jahren verboten. Warum die Ordnungsbehörde der Stadt an dieser Stelle einen Sonderweg geht und solch einen Aufzug von Neonazis genehmigt, bleibt völlig im Unklaren. Doch damit nicht genug. Die Stadt Lüneburg wies den Rechtsextremen den Lamberti-Platz zu, welcher direkt an der Geschäftsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbundes gelegen ist. Der DGB engagiert sich seit Jahren entschlossen gegen die Umtriebe von Nazis, so sind sie eine aktive Kraft im Bündnis für Demokratie / Netzwerk gegen Rechtsextremismus. Dass dies zu einer direkten Gefährdung der Gewerkschafter führen kann, sah die Ordnungsbehörde wohl anders. Sie hielt es nicht einmal für nötig den DGB über den Aufmarsch von Neonazis zu informieren. Das zur selben Zeit die Arbeitsgruppe für die in Lüneburg verlegten und von Neonazis gestohlen Stolpersteine tagte, bildet nur den Gipfel der Insensibilität.

Rund 20 Kameraden aus der Region folgten den Aufruf von Manfred Börm und Lasse Bruno Krüger, welche an diesem Tag per Megaphon Reden an die meist jungen Neonazis hielten. Begleitet wurden sie von mehr als 300 Lüneburgerinnen und Lüneburger, die spontan zusammenkamen um dem rechten Spuk ihren lautstarken und kreativen Protest entgegen zu bringen. Von allen Seiten drängten die Menschen an die Polizeiabsperrung, um mit Sprechchören, Trommeln und Transparenten gegen die Rechtsextremen vorzugehen.

Um 20h wurden die Neonazis, geschützt von der Polizei, zu ihrem Ladengeschäft „Hatecore“ in der Altenbrückertorstraße gebracht. Demonstranten versperrten dabei in friedlichen Menschenketten den Abreiseweg, um den Rechtsextremen den Tag so unangenehm wie möglich zu gestalten. Die Polizei reagierte mit völlig unangemessener Gewalt. So berichteten Augenzeugen, dass die friedlichen Protestler ohne Vorwarnung mit Faustschlägen ins Gesicht und Tritten in den Unterleib niedergeschlagen wurden. Eine Strafanzeige wurde gestellt. Bereits zuvor wurde ein junger Mann durch einen Polizeihund am Arm verletzt.

Vor dem Geschäft des Neonazis Christian Sternberg sammelte sich erneut der Protest, so dass die Polizei die Neonazis mit Taxen abtransportieren lassen mussten.

Nach der versuchten Flugblatt-Verteilaktion von Neonazis am vergangenen Samstag, welche erfolgreich durch antifaschistischen Widerstand weitestgehend unterbunden werden konnte, nun die zweite desaströse Aktion von Neonazis in Lüneburg innerhalb von drei Tagen. Es bleibt abzuwarten, wie die im letzten Jahr äußerst aktive Lüneburger Nazi-Szene auf dieses Trauerspiel der vergangenen Tage reagiert.

Die Stadt Lüneburg, wie auch die eingesetzte Polizei, müssen sich den kritischen Fragen stellen. Die brutale Vorgehensweise von einzelnen Polizeikräften an diesem Tag, kann nicht kommentarlos hingenommen werden. Das Vorgehen der Stadt Lüneburg löst an dieser Stelle nur noch Befremden aus. Sollte sie auch im kommenden Jahr Neonazis einen legitimierten Rahmen für ihre Naziverbrecher-Verehrung bieten, wird sich die Hansestadt mit wachsender Beliebtheit unter den Nazis auseinandersetzten müssen. Denn dann hat sie schnell den Ruf, die einzige Stadt der Bundesrepublik zu sein, wo am 17. August Mahnwachen von Rechtextremen durchführbar sind.

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2 Kommentare

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    • Lotte auf 8. September 2009 bei 03:10

    Hier Einiges zu Rudolf Heß – für die, die ihn nicht kennen: Geboren 1894 in Alexandria, 1919 Studium in München, Eintritt in die “Thule-Gesellschaft”, Beitritt zum “Freikorps Epp”. 1920 einer der Ersten, der in die NSDAP eintritt. 1923 maßgeblich am Putsch beteiligt, daher zu 18 Monaten Festungshaft verurteilt, die er zusammen mit Hitler in Landsberg verbüßt. Dort schreibt er Hitlers “Mein Kampf” nieder – diktiert von Hitler. 1925 Hitlers Privatsekretär, 1932 Vorsitzender der “Politischen Zentralkommission der NSDAP” – zuständig für Koordination nationalsozialistischer Agitation und Arbeit. 1933 zum “Stellvertreter” Hitlers berufen, mit gesetzgeb. Vollmachten und Recht zur Ernennung von Beamten. Ernennung zum SS-Obergruppenführer. Einzug in den Reichtstag und Ernennung zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Entfaltung des Führerkults und Durchsetzung des bedingungslosen Führerprinzips. 1938 trat er dem Geheimen Kabinettsrat, 1939 dem Ministerrat für die “Reichsverteidigung” bei: Verfechter eines “Lebensraums im Osten”, Planung des Angriffskriegs, im besetzten Polen organisatorisch an der Judenverfolgung beteiligt, Durchsetzung eines rassistischen Sonderrechts (Trennung von Juden und Deutschen). Mai 1941 geheimer Flug nach Schottland, dort im Oktober Selbstmordversuch. Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess zu lebenslanger Haft verurteilt (Berlin-Spandau). 1977 Selbstmordversuch, 1987 Selbstmord in der Haft.

    • bruno auf 5. September 2009 bei 21:47

    Die Genehmigung eines “Heß-Gedenkens” am Todestag des R. Heß durch die Stadt ist bemerkenswert unsensibel: Andernorts wird eine Glorifizierung von R. Heß bzw. die Herstellung eines positiven Bewertungszusammenhangs (Gedenktag) als Billigung nationalsozialistischer Gewalt- und Willkürherrschaft verstanden und dem § 130 Abs. 4 StGB zugeordnet. Schon das Hervorheben von und öffentliche Gedenken an Symbolfiguren nähert sich dem strafrechtlichen Bereich (vgl. BTDrucks. 15/5051, S.5) Die Würde der Opfer wird nämlich verletzt, wenn öffentlich wahrnehmbar das Andenken an R. Heß geehrt und seiner Person am Todestag “gedacht” werden darf – und das nun auch noch mit Genehmigung der Stadt Lüneburg.

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